Was wir uns vor jedem Interview fragen sollten
Interviews sind vielseitig und finden in unterschiedlichsten Kontexten statt. Sie können Teil einer wissenschaftlichen Arbeit sein, im beruflichen Alltag mit Expert:innen stattfinden oder als Highlight eines Podcasts dienen. Als Moderator kenne ich Interviews vor allem von Konferenz-Bühnen, wo ich sowohl Einzelgespräche als auch Gruppendiskussionen moderieren durfte. Beides macht mir sehr viel Freude!
Eines haben alle diese Formate gemeinsam: Jedes Interview braucht eine gute Vorbereitung. Und diese beginnt mit den richtigen Fragen – nicht an die Gesprächspartner:innen, sondern an uns selbst. Denn wer ein Interview führen möchte, sollte sich vorab ein paar Dinge klar machen, um eine angenehme Atmosphäre zu schaffen und so ein erfolgreiches Interview zu führen.
In diesem Beitrag stelle ich sechs wichtige Fragen vor, die wir uns vor jedem Interview fragen sollten. Solltest Du Dich explizit auf ein Vorstellungsgespräch vorbereiten wollen, empfehle ich Dir den verlinkten Beitrag.
1. Welche Agenda haben die Teilnehmenden?
Bevor wir uns auf ein Interview einlassen, sollten wir uns bewusst machen, dass jede Person im Gespräch eine eigene Agenda verfolgt. Unser Ziel könnte es sein, von der Expertise unseres Gegenübers zu lernen, einen Job zu ergattern oder einem Publikum wertvolle Einblicke zu bieten.
Das Ziel ist mir immer sehr wichtig. Deshalb stelle ich mir die Frage nach dem Ziel vor jedem Interview und beantworte sie in Keynotes & Trainings.
Doch was ist das Ziel unseres Gegenübers? Manche möchten vor allem ihre Marke präsentieren oder ein Produkt verkaufen. Andere wiederum legen Wert darauf, dass wir als Moderator:innen gut dastehen und die gewünschten Themen ansprechen.
Wie finden wir das heraus? Ganz einfach: durch ein kurzes Vorgespräch. Dieses kann telefonisch, virtuell oder persönlich stattfinden. Je besser wir die Agenda unseres Gegenübers kennen, desto besser können wir unsere eigenen Ziele mit denen der Gesprächspartner:innen in Einklang bringen. Ich führe diese Vorgespräche am liebsten kurz per Telefon vorab. Sollten die Terminkalender das nicht hergeben, spreche ich mit der Person vor Ort.
2. Sind alle Teilnehmenden da?
Ein Interview ohne Gesprächspartner:innen? Unmöglich. Und trotzdem ist es mir bereits passiert, dass Teilnehmende zu spät kamen oder früher gehen mussten. Auf einer Konferenz musste ich einmal ein geplantes Interview spontan verschieben, weil der Gast einfach nicht rechtzeitig erschien.
Auch wenn es eigentlich die Aufgabe des Eventmanagements ist, dafür zu sorgen, dass alle pünktlich da sind, kann es nie schaden, proaktiv zu sein. Kurz vor dem Interview stelle ich sicher, dass alle Beteiligten anwesend und bereit sind. Für den Fall, dass jemand zu spät kommt, habe ich immer die Handynummer besagter Personen griffbereit, um sie anzurufen.
Auf diesem Bild sind noch nicht alle Teilnehmenden da. Vor diesem Interview frage ich mich also nicht, ob die Teilnehmenden schon vor Ort sind. Gut, dass ich zu früh war.
3. Kennen und verstehen sich die Teilnehmenden untereinander?
Bei Gruppendiskussionen kommt es häufig vor, dass sich die Teilnehmenden vorher nicht kennen. Wenn das der Fall ist, hilft es, sie einander kurz vorzustellen. Dadurch entsteht eine angenehmere Atmosphäre, und das Gespräch wirkt lockerer und natürlicher.
Anders sieht es aus, wenn zwei Personen bereits eine Vorgeschichte haben – sei es im positiven oder im negativen Sinne. Ich erinnere mich an eine Diskussionsrunde, bei der ich wusste, dass zwei Teilnehmer eine Rivalität pflegten. Deshalb setzte ich mich vorsichtshalber zwischen die beiden und war vorbereitet, das Gespräch bei Bedarf zu deeskalieren. Dieser kleine Kniff war sehr wertvoll.
Ein bisschen Smalltalk vor dem gemeinsamen Auftritt kann ebenfalls Wunder wirken. Es hilft nicht nur den Teilnehmenden, sich wohler zu fühlen, sondern gibt auch uns Moderator:innen einen ersten Eindruck von der Dynamik zwischen den Personen.
4. Verstehe ich alle Teilnehmenden?
Die Verständlichkeit spielt bei jedem Interview eine entscheidende Rolle – und zwar in beide Richtungen. Ich hatte schon Interviews, bei denen ich mich mit Dialekten oder starken Akzenten schwer tat, sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch.
Wenn wir unser Gegenüber nicht verstehen, wird es schwierig, sinnvolle Fragen zu stellen oder spontan zu reagieren. In solchen Fällen ist es hilfreich, sich besonders stark an die vorbereiteten Leitfragen zu halten. Das ist zwar nicht perfekt, aber alternativlos.
Dennoch bleibt die wichtigste Regel: Gegenseitiges Verständnis ist die Basis für ein gutes Gespräch. Wenn Du merkst, dass es Verständigungsprobleme geben könnte, sprich das vorab an und überlege, wie Du Dich auf die Situation einstellen kannst.
5. Wie ist die Akustik im Raum?
Die beste Vorbereitung bringt nichts, wenn uns niemand hört – oder wir unser Gegenüber nicht verstehen. Schlechte Akustik ist ein häufiger Stolperstein, vor allem bei Events in großen Räumen oder virtuellen Interviews mit mangelhafter Technik.
Bei diesem Event war die Akustik schwierig, da sehr viele Menschen in dem Raum geredet haben
Ich erinnere mich an eines meiner ersten Interviews, bei dem die Akustik auf der Bühne katastrophal war. Mein eigenes Echo störte mich sehr, während ich mein Gegenüber gar nicht richtig verstand. Ich habe mich auf der Bühne etwas bewegt und einen besseren Platz gefunden. Heutzutage bestehe ich auf Technik-Checks.
Es gehört zu meiner Routine, vor jedem Interview die Akustik zu überprüfen. Dazu zählt nicht nur die technische Ausstattung, sondern auch die Platzierung der Mikrofone und die Positionierung auf der Bühne. Im virtuellen Raum sollten Headsets und Internetverbindung getestet werden, um Unterbrechungen zu vermeiden. Das alles ist zwar etwas nervig, aber im Sinne aller Teilnehmenden - inklusive des Publikums.
6. Welche Fragen wirst Du stellen?
Ohne Vorbereitung geht es nicht. Das gilt besonders für die Fragen, die wir im Interview stellen möchten. Hier geht es darum, einen gesunden Mix aus geplanten und spontanen Fragen zu finden.
Vorbereitete Fragen sorgen dafür, dass wir das Gespräch in die gewünschte Richtung lenken können und wichtige Themen nicht vergessen. Zudem sind sie eine Leitlinie für die Themen, über die unsere Gegenüber (nicht) sprechen wollen.
Spontane Fragen hingegen entstehen aus dem Moment heraus und machen das Gespräch lebendig und authentisch.
Bei diesem Podcast-Interview kannte ich einen Teil der Interview Fragen schon vorher. Andere waren spontan. Ich war hier zur Abwechslung mal der Gast.
Mein Tipp: Bereite Deine Fragen so vor, dass sie offen formuliert sind und genügend Spielraum für ausführliche Antworten bieten. Geschlossene Fragen, auf die nur mit „Ja“ oder „Nein“ geantwortet werden kann, sollten die Ausnahme bleiben. Wenn wir gut vorbereitet sind, wird das Publikum am Ende das Gefühl haben, das Gespräch sei vollkommen spontan verlaufen – und genau das ist das Ziel. Weitere Tipps fürs Fragen stellen habe ich in einem separaten Blogbeitrag zusammengestellt.
Fazit: Was wir uns vor einem Interview fragen sollten
Ein gutes Interview beginnt nicht erst auf der Bühne oder vor der Kamera, sondern in der Vorbereitung. Die sechs oben genannten Fragen helfen Dir dabei, mögliche Stolpersteine schon vorab aus dem Weg zu räumen.
Indem wir uns über die Agenda, Anwesenheit und Verständlichkeit der Teilnehmenden im Klaren sind, schaffen wir die Basis für ein harmonisches Gespräch. Durch die richtige Akustik, eine ausgewogene Fragetechnik und ein wenig Smalltalk entsteht eine Atmosphäre, in der sich alle wohlfühlen – auch wir selbst.
Ein gelungenes Interview hängt weniger davon ab, ob wir es perfekt machen, sondern ob es uns gelingt, echte Verbindungen zu schaffen. Wenn wir uns vor jedem Interview diese Fragen stellen, sind wir bestens gerüstet, um sowohl dem Publikum als auch den Gesprächspartner:innen eine bereichernde Erfahrung zu bieten. Für Dein nächstes Interview drücke ich Dir fest die Daumen!